schreibkultur.ch Blog

Das Meisterstück von Montblanc …

…. eine Ikone wird 100 !

1924 wurde das erste Meisterstück eingeführt. Damals noch unter dem Markennamen «Simplo-Füllfeder-Gesellschaft», später «Montblanc-Simplo» GmbH. Warum? Kunden sollen nach einem besonderen Schreibgerät verlangt haben. Ein Schreibgerät quasi für den Sonntagsgebrauch, eines, das spezieller, feiner und wertiger ist, als die üblichen Alltagswerkzeuge: ein Sonntagsfüller eben. Der Zufall will, dass die Manufaktur zeitgleich bereits an einem «one-of-a-kind» Schreibgerät gearbeitet und getüftelt hatte. Nach der Inflation von 1923 – 1 Dollar entsprach 4’210’000’000 Reichsmark – herrschte grosser wirtschaftlicher Erfolgsdruck. Ermutigt durch die Kundenanfragen war es 1924 dann soweit. Das «Meisterstück» wurde vorgestellt. Die Idee war einfach: kleine optische Veränderungen wie Aufschrift “Meisterstück” und “4810” auf Kappe, Schaft und Verpackung, später auch zwei Zierringe und eine 18 Karat Goldfeder machten das Meisterstück unterscheidbar von anderen Montblanc-Produkten. Zusätzlich bekamen Käufer eine lebenslange Garantie auf ihr Meisterstück. Mit dieser neuen und einzigartigen Garantie konnte die Meisterstück-Serie über 40% teurer als Wettbewerbsprodukte verkauft werden. Sehr schnell erreichte das Meisterstück den Status eines erstrebenswerten Klassikers.

1924: Das erste Meisterstück

Was ist ein Klassiker? Die typischen Merkmale eines Klassikers sind seine überregionale Bedeutung, oftmals auch generationenübergreifend, ein gewisser Traditionswert und ein hoher Wiedererkennungswert. Bekannte Beispiele bei den Design-Klassikern sind  zum Beispiel die Corbusier-Liege, die Wagenfeld-Leuchte, der Eames-Chair, bei den Industrie-Klassikern das BIC-Feuerzeug oder der Volkswagen Typ 1, der “Käfer” von Ferdinand Porsche. In der Musikwelt ist es bestimmt die 9. Sinfonie von Beethoven, bei den Küchenklassikern denken wir an die französische Zwiebelsuppe oder an die italienische Pizza und bei den “iconic fashion pieces” an den Trenchcoat von Burberry  oder an “das kleine Schwarze”. Warum sind Klassiker so bedeutend? Klassiker sind “zeitlose Zeitzeugen”. Sie tragen ihre kulturelle Aussagekraft in die Zukunft und fallen dank ihrer Allgemeingültigkeit nie aus der Mode.

Zufall oder nicht? Im Jahre 1924 passt verblüffend Vieles ins Thema “Berg” und “Schwarz-Weiss”: der Literatur-Klassiker von Thomas Mann “Der Zauberberg” wird veröffentlicht, die Zahl 4810 (= Höhe des Berges Montblanc in Metern über Meer) erscheint auf Feder und Verpackung des neuen Premiumfüllers, der Reissverschluss wird erfunden, zum “Kleinen Schwarzen” gehört die obligate weisse Perlenkette und last but not least kommt auch unser Meisterstück im schwarzen Hartgummi mit weissem Kappen-Stern daher.

Das Pikante an diesem “Meisterstück für den Sonntag” aber war, dass sich Anfang der 30er Jahre während der Weltwirtschaftskrise und 6 Millionen Arbeitslosen kaum jemand mehr dieses edle Schreibgerät leisten konnte. Die Industrie stand unter massivem Absatzdruck. Montblanc entwickelte eine geniale Marketingstrategie. Sie lancierten die III. Sorte (= 3.Sorte). Diese Modellreihe war sehr schlicht konzipiert: keine Kappenringe, kein weisser Stern, höchstens weiss eingefärbte Stern-Outlines und auf der Goldfeder lediglich ein Dreieck und darin die Haltergrösse. Dieses Modell war natürlich preiswerter, aber dennoch etwas teurer als die vergleichbaren Wettbewerbsprodukte. Der Geniestreich war, dass man mit dem Kauf eines Füllers der III. Sorte ein “Upgrade” erhielt, mit dem man innert Jahresfrist gegen Aufzahlung der Differenz ein Original Meisterstück erwerben konnte. Von diesem Angebot machten jedoch nur 5% Gebrauch. Schuld war wohl die desolate Wirtschaftslage!

Klassiker mit exklusivem Meisterstück-Krawattenclip

Erst ab 1935 bekam das Meisterstück seine eigene Form innerhalb des Produktekataloges. Das neue Meisterstück hob sich ab von den früheren Modellen durch die neue Zylinderform, ein breites, goldenes Kappenband, den neuen Krawattenclip und die zweifarbige, massive Goldfeder mit den allseits bekannten Insignien “4810”.

Das Meisterstück – ein Klassiker in Schwarz-Gold-Weiss

1949: eine Ikone ist geboren! Das Meisterstück an sich ist seit einem Vierteljahrhundert bestens eingeführt und äusserst beliebt bei den Kunden weltweit. Aber 1949 ist die uns allen bekannte stromlinienförmige Silhouette neu vorgestellt worden. Das Meisterstück, wie wir es kennen und lieben! Zur Erinnerung: Weisser Stern? 4810? Das sind die zwei Haupt-Insignien von Montblanc. Der weisse Stern steht für den schneebedeckten Gipfel vom Berg Montblanc mit seinen sechs Tälern, die Zahl 4810 erinnert an die einstige Höhe des Berges Montblanc in Metern über Meer (heute effektiv nur noch 4805m) und – jetzt kommt’s – alles zusammen bedeutet “Gipfel der Schreibkultur”.

1949: Meisterstück – die neue Form

Das Top-of-the-Top Modell, das Meisterstück Nummer 149, auch “Zigarre” genannt, wird 1952 lanciert. Es ist das grösste Schreibgerät auf dem Markt, ist mit einer imposant grossen, massiv 18 karätigen Goldfeder ausgestattet und wird in unveränderter Form bis heute angeboten. Der 149er ist der legendärste, meist bekannte Füller der Welt – ein wahrhafter Klassiker eben!

Ab 1960 verhiess der Einsatz von effizienteren Technologien viel bessere Ertragswerte. So wagte sich Montblanc von 1960 bis 1973 an einen Design-Umweg und entwickelte für das Meisterstück eine komplett neue Form. Die Modellreihe 60 mit dem Meisterstück Füllhalter Nr. 14 wurde nach modernen Standards im Spritzgussverfahren produziert. Die neue Optik: schlank, schlicht, Jet-Ästhetik mit drei neuen, stark auffallenden Features:  das breite, goldene Kappenband, genannt Kardinalshut, das optimal den rissanfälligen Kappenrand verstärkte,  die smarte, dem Zeitgeist entsprechende halbverdeckte Feder und der sehr beliebte, doppelt plazierte Montblanc-Stern.

In den frühen 70er Jahren fällt Montblanc eine Entscheidung: die”Zigarrenform” wird zur ultimativen, zeitlosen Form des Klassikers “Meisterstück” erklärt.

Die Rückkehr zur Form von 1949

Nach fünf Jahrzehnten Meisterstück-Designgeschichte hat Montblanc seinen Klassiker gefunden! Wenn auch immer “im Kleinen Schwarzen” und nur ganz ausnahmsweise mal in gestreiftem Grün, was diesen natürlich zu einer Rarität und folglich sehr teuer machte.

Und jetzt zum 100-jährigen Jubiläum?

… macht Montblanc genau das Richtige! Und zwar fokussiert Montblanc auf das, was Collectors am gierigsten suchen und auf das, was Montblanc in seinem Atelier Artisan in Hamburg am besten umzusetzen vermag: Es geht um’s Geschichten erzählen. Es geht darum, das einzelne Schreibgerät ins Zentrum zu rücken und ihm mit Worten und Empathie den Podestplatz zuzuweisen, den es verdient. Die ganze Aufmerksamkeit richtet sich 2024 auf das, was immer vermisst wurde: auf farbige Meisterstücke und die Geschichte zu ihrer Farbe.

Montblanc Meisterstück Olympic Heritage Classique – der Hellblaue, inspiriert vom Flair der Olympischen Spiele 1924 in Chamonix. Am Fusse des Montblancs fanden die ersten Olympischen Winterspiele statt. Im Kern verkörpern sowohl Montblanc als auch die Olympischen Spiele menschliche Spitzenleistung, sei es im Handwerk oder im Sport.

Montblanc Meisterstück The Origin LeGrand – der Dunkelblaue und die grau-schwarze Zigarre, inspiriert von Kreationen aus ihren Archiven greift Montblanc auf den Gründergeist vergangener Tage zurück und so reicht zum Beispiel das markante Muster auf der Kappe des Doué, die mit blauem Lack und Platin bedeckt ist, auf eine vor Jahrzehnten entworfene Kreation zurück, die damals nie lanciert worden ist. Jetzt ist der Zeitpunkt für Montblanc gekommen, um dieses lange in Vergessenheit geratene Art Déco Design einzuführen.

Montblanc Meisterstück The Origin Classique – der Grüne, inspiriert von lange vergangenen, in den Archiven schlummernden Designideen aus den Gründerjahren. Die kunstvoll aus dunkelgrünem Edelharz gefertigte Kappe des Doué zeigt in einem fliessenden Muster das Auflösen von Tinte auf Papier, was wiederum einen zauberhaften Kontrast zu den vergoldeten Beschlägen bildet. Der Clip ist eine Hommage an frühere Clipformen. Bei genauerem  Hinsehen kann man sogar das ursprüngliche Meisterstück Logo erkennen. Überhaupt verströmt das Schreibgerät eine gewisse Nostalgie.

Montblanc Meisterstück Olympic Heritage LeGrand – der Rote, inspiriert vom Flair der Olympischen Spiele 1924 in Paris. Durch einen glücklichen Zufall fand diesen Sommer die Olympiade wieder in Paris statt. Diese LeGrand Special Edition aus Edelharz in einem warmen Rot ist der offiziellen roten Farbe der Olympischen Spiele von 1924 in Paris nachempfunden. Man denkt an menschliche Spitzenleistung und zwar im Handwerk wie im Sport.

Zusammenfassend darf man sagen: die Jubiläumseditionen sind geglückt. Die Sammlerherzen schlagen höher. So ein Farben-Feuerwerk hat es beim Meisterstück noch nie gegeben! Und da dies alles limitierte Special Editions sind, werden sie auf Grund der Nachfrage auch nicht endlos zum Ausgabepreis erworben werden können. Allen, die sich zum Kauf eines farbigen Meisterstücks entschliessen können, wünschen wir viel Schreibvergnügen und sagen: “Schön, dass Sie schreiben!”

Fotos der Vintage-Modelle: private Sammlung und Füllimuseum der Papeterie zum Schiff AG.